Fadenmann, alias Tilletot der Seelenfänger

Der Fadenmann, den der Mechanikermeister als „Tilletot, den Seelenfänger, ein übles und mächtiges Wesen“ bezeichnete, ist eine der unheimlichsten Gestalten des Buches. Tilletot lebt in einem eigenen Reich in der sechsten unteren Ebene, also in einer der Negativwelten. Jule gelangte ohne Absicht allein durch ihren Blick durch das Drachenauge in sein Reich.[1] Jedoch steckt hinter dieser scheinbaren Absichtslosigkeit ihres Weges eine tiefere innere Logik, da sie nur mittels des Fadenmannes die Pforte des Todes zu durchschreiten vermochte – der einzige Weg zu ihrem Freund, dem Gelben Delphin im Reich der Ideen.
Tilletot ist ein höchst suggestiver Verführer mit Worten, der unaufhörlich Zweifel sät, falsche Versprechungen macht und damit den Geist verwirrt. Ihm ist nichts wichtig und nichts heilig. Gut und Böse, das Schöpferische und Zerstörerische sind für ihn völlig austauschbare Dinge. So kann man ihn nicht einmal im eigentlichen Sinne bösartig nennen. 

 

Er tut die Dinge quasi nur wie ein Prinzip zum Selbstzweck. Und das Einzige, was ihn interessiert ist die momentane Freude am Verführen und Betrügen, in welche Richtung auch immer. Doch dieses völlig beliebige, austauschbare Verhalten macht ihn ganz besonders gefährlich, da er dadurch letztlich unberechenbar ist.
Jule besteht die Prüfung in Gestalt des Fadenmannes und erhält zum ersten Mal die Möglichkeit, ihr kurz zuvor erst von Aitija vermitteltes Wissen über den „Gedanken hinter dem Gedanken“ praktisch anzuwenden. Siehe Glossar „Aitija“. Und so verhält es sich mit dem Fadenmann wie in Goethes „Faust“, wo Mephisto sagt: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft.“


[1]  Siehe Kap. „Durch den blutroten Kristall zum Fadenmann“.


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