Elisande

Wer ist Elisande

Elisande ist eine der zentralen und zugleich geheimnisvollsten Gestalten des Buches, da wir über sie so gut wie nichts erfahren. Jule Levitan beschreibt sie als ein wunderschönes Mädchen von etwa 20 Jahren mit schmalem, bleichem Gesicht, goldblondem, glänzendem Haar weich wie Seide, das ihr bis zur Hüfte ging, und einer schneeweißen, fast durchscheinenden Haut. Ihre Augen sind himmelblau und strahlend. In ihrem Haar trägt sie ein goldenes Diadem mit Sternen. Der Mechanikermeister sagt von ihr, sie sei ein elfenhaftes, verspieltes Wesen, das ständig kicherte und liebenswürdige Späße machte. Auf diese Weise war sie gewiss das ideale Pendant zu ihm, dem oft sehr ernsten und zu tiefer Schwermut neigenden Mechanikermeister.
Abgesehen davon, muss Elisande aber noch viel außergewöhnlichere Eigenschaften besitzen, dass sie so vorbehaltlos die unendliche Liebe des Großen Mechanikermeisters erringen konnte. Wie wir wissen, war die Verbindung zwischen beiden so intensiv und innig, dass nach dem Verschwinden Elisandes das Leben für den Mechanikermeister jeglichen Sinn verlor.[1] Auch gibt die einzige tiefere Aussage Silavons zu Elisande zu denken: 

Ist Elisande ein Engel?

„So bin ich fortgegangen mit dem einzigen Wesen, über das der Drache Morsus unerklärlicher Weise keine Gewalt erringen konnte. Es war Elisande, meine große und einzige Liebe.“[2]
Diese herausragende Fähigkeit stellt sie direkt neben den Mechanikermeister, der ja selbiges auch von sich behauptete, nämlich der einzige Ebenenbewohnern neben Elisande zu sein, der dem Drachen Morsus zu widerstehen vermochte. Doch da der Große Mechanikermeister in Wirklichkeit ein Engel ist, der diese Tatsache nur vergessen hat, so wird sehr wahrscheinlich auch Elisande ein Engel sein und ihre Widerstandsfähigkeiten daher beziehen.

 

Elisandes Aufenthaltsort

Elisandes letzter Aufenthalt erscheint unklar. Der Fremde hat sie entführt, doch wohin? [3] Und wie konnte sie ihm darauf entrinnen? Wo hält sie sich jetzt auf? In Jule Levitans Bericht schaut Elisande durch einen Spiegel aus einer anderen Welt in den Raum, den der Mechanikermeister ihr in seiner Eisenburg als Erinnerungsort geschaffen hat. Doch der Mechanikermeister vermag Elisande ohne sein Herz nicht zu erkennen. Elisande sagt zu Jule: „Nur wenn er sein Herz zurückgewinnt, können wir uns wiederfinden und glücklich werden. Ich warte auf ihn auf der anderen Seite …“

[4] Doch was ist die andere Seite? Die Aufzeichnungen des Buches geben nicht den geringsten Hinweis darauf. Einzig die Weise Schildkröte erwähnt, wenngleich in völlig anderem Zusammenhang, eine „andere Seite“.[5] Laut der Schildkröte ist es der Raum, der entsteht, wenn man die Zeit anhält und dadurch den Vorhang ein wenig beiseite zieht. Sie spricht gleichbedeutend auch von dem „Schauen durch den Spiegel, der den Blick hinter die Kulissen ermöglicht“: „Denn wer von der anderen Seite durch den Spiegel blickt, der sieht die Bilder des Geistes aller da.“[6] Diese Aussagen sind schwierig zu deuten. Die „andere Seite“ kommt in der Struktur der Ebenen so nicht vor. Fast scheint es sich um einen Bereich jenseits der Ebenen zu handeln – vielleicht ein für unser Verständnis völlig abstrakter Raum, der eine tiefere Wahrheit enthält? Dann könnte die „andere Seite“ der tiefere Bereich jenseits unseres selbstreflexiven, in sich selbst gefangenen Bewusstseins sein? Was sonst könnte der sogenannte „Blick hinter die Kulissen“ bedeuten?


[1]  Siehe Kap. „Die traurige Geschichte von Silavon und Elisande“.

[2]  Siehe Kap. „Die traurige Geschichte von Silavon und Elisande“.

[3]  Siehe Kap. „Die traurige Geschichte von Silavon und Elisande“.

[4]  Siehe Kap. „Elisande“.

[5]  Siehe Kap. „Die Verabredung“.

[6]  Siehe Kap. „Die Verabredung“.


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Alle Texte, Illustrationen und Layouts von Ulrich Taschow. Copyright © 2015. All rights reserved.